Finanztransaktionssteuer: „Institutionelle werden am ehesten ihre Geschäfte ins Ausland verlagern“

Montag, 6. Februar 2012

Die Anleihen Finder Redaktion sprach mit Dr. Christine Bortenlänger, Vorstand der Bayerische Börse AG und Geschäftsführerin der Börse München, über die Auswirkungen der geplanten Börsensteuer auf den Markt der Mittelstandsanleihen.

Anleihen Finder: Was ist Ihre Meinung zur geplanten Transaktionssteuer?

Christine Bortenlänger: Meiner Meinung nach ist es falsch, eine Transaktionssteuer einzuführen, vor allem dann, wenn sie nicht mindestens europaweit akzeptiert wird. Diese Steuer wird nicht Einnahmen in der versprochenen Höhe bringen, allein schon weil Großbritannien nicht mitzieht. Außerdem werden die institutionellen Anleger versuchen, möglichst viel Geschäft außerhalb der „Besteuerungszone“ zu verlagern. Es sind vor allem die Privatanleger und Fondssparer, die der Steuer nicht ausweichen können. Damit erleben wir neben einer Verlagerung institutionellen Geschäfts einen Rückschlag bei der ohnehin schon wenig entwickelten Aktien- und Anlagekultur in Deutschland.

Anleihen Finder: Welche Auswirkungen hat Ihrer Meinung nach die Einführung der von der Bundesregierung geplanten Transaktionssteuer auf das Börsensegment mittelständische Anleihen?

Christine Bortenlänger: Im Entwurf der EU-Kommission sollen die Primärmärkte für Aktien und Anleihen von der Besteuerung ausgenommen werden, also die Erstplatzierung. Der Steuer unterliegen jedoch die sich der Platzierung anschließenden Verkäufe und der Handel. Da Anleihen aber eher einem mittel- bis langfristigen Anlagehorizont unterliegen, dürfte das für Privatanleger keine ausschlagende Rolle spielen.

Anleihen Finder: Sehen Sie die Gefahr, dass der noch junge Handel mit mittelständischen Anleihen durch Steuern auf Transaktionen erstickt werden könnte?

Christine Bortenlänger: Das glaube ich nicht. In diesem Segment finanzieren sich Unternehmen direkt am Kapitalmarkt. Dafür bieten sie in der Regel Zinssätze, die über dem Sparbuch, dem Festgeld und der Staatsanleihe liegen. Damit sind diese Papiere eine interessante Beimischung für viele Depots – auch mit der Transaktionssteuer.

Anleihen Finder: Auf der anderen Seite heißt es plakativ, „was macht schon eine Mehrwertsteuer auf Transaktionen, die deutlich unter dem Mehrwertsteuersatz für zum Beispiel Milch oder Butter liegt?“ Sind die Kosten der Steuer für Anleger und Händler leicht zu kompensieren?

Christine Bortenlänger: Finanzprodukte sind meines Erachtens aus vielerlei Gründen nicht so einfach mit Milch und Butter zu vergleichen. Sicherlich, die Steuer pro Transaktion ist gering und Anleger, die auf einen langfristigen Anlagehorizont ausgerichtet sind, werden keine hohen Summen zu entrichten haben. Da geht es mehr um Psychologie. Der Bürger lässt sich von Steuern steuern. Ich habe schon jetzt manchen Graumarktberater im Ohr, der einem Anleger mit dem Argument, darauf würden auch keine Steuern anfallen, irgendwelche „schwindligen“ Produkte anbietet. Das kann doch nicht unser Ziel sein! Für institutionelle Investoren und Hochfrequenzhändler spielt die Steuer tatsächlich eine Rolle. Doch diese Anlegergruppen werden am ehesten ihre Geschäfte ins Ausland verlagern und damit dem Markt Liquidität entziehen.

Anleihen Finder: Können Sie sich der Einschätzung der Spitzenverbände der deutschen Industrie anschließen, dass auf die Unternehmen höhere Sicherungskosten zukommen, da an den Finanzmärkten mehr Volatilität entsteht, wenn eine Börsensteuer die Handelsaktivität und damit die Marktliquidität verringert?

Christine Bortenlänger: Im Prinzip ja, wobei ich gar nicht nur die reinen Kosten im Auge habe. Eine ausreichende Liquidität spielt für börsennotierte Unternehmen eine wichtige Rolle. Sie sorgt für faire Kurse. Und, wenn ein Anleger Sorge hat, dass er ein Papier später nicht in einem liquiden Markt wieder verkaufen kann, dann handelt er dieses Papier oft erst gar nicht. Verkäufe weniger liquider Titel können oft nur zeitverzögert und mit größeren Auswirkungen auf den Preis erfolgen. Die verfügbare Liquidität wird sich noch mehr als heute auf die großen, bekannten Titel konzentrieren, während gerade kleinere und mittlere Unternehmen, die schon heute unter geringerer Liquidität leiden, noch schlechter gestellt werden.

Anleihen Finder: Frau Bortenlänger, vielen Dank für das Gespräch.

Anleihen Finder Redaktion

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