„StaRUG“: Restrukturierungs-Instrument für Emittenten und mögliche Konsequenzen für Anleger

Mittwoch, 25. September 2024


Gast-Beitrag für den Anleihen Finder von Reinhard Willemsen und Johannes Müller, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München

Mittels des seit knapp vier Jahren geltenden Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen, kurz: „StaRUG“ können Kapitalgesellschaften (nachfolgend auch als „Schuldner“ bezeichnet) im Rahmen eines vorinsolvenzlichen Restrukturierungsverfahrens Instrumente zur Restrukturierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens nutzen. In jüngerer Vergangenheit suchen auch am KMU-Anleihemarkt auftretende Unternehmen wie beispielsweise das Immobilienunternehmen ESPG AG einen Ausweg aus ihren finanziellen Schwierigkeiten über das StaRUG-Verfahren (siehe: ESPG AG leitet Restrukturierung nach StaRUG ein). Insbesondere für private Kleinanleger kann ein StaRUG-Verfahren negative Auswirkungen auf ihre getätigten Investitionen bedeuten.

Zur Orientierung und besseren Einordnung stellen wir die wichtigsten Instrumente des StaRUG-Verfahrens im Folgenden vor:

I. Das StaRUG-Verfahren als Instrument zur präventiven Sanierung

Das StaRUG-Verfahren eignet sich regelmäßig für eine frühzeitige finanzielle Restrukturierung. Durch das Verfahren bestehen hohe Chancen auf einen vollständigen Arbeitsplatzerhalt ohne Störung des Marktumfeldes. Idealerweise ist es bereits nach zwei Monaten abgeschlossen.

Damit auf die Restrukturierungmechanismen des StaRUG zugegriffen werden darf, ist es jedoch erforderlich, dass der Schuldner drohend zahlungsunfähig ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Schuldner in naher Zukunft (Prognosezeitraum: maximal 24 Monate) voraussichtlich (Prognose) nicht in der Lage sein wird, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen.

Ein StaRUG-Verfahren ist hingegen nicht anwendbar bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Schuldners. In diesen Fällen ist zwingend spätestens nach drei Wochen beim zuständigen Insolvenzgericht ein schriftlicher Insolvenzantrag einzureichen. Zahlungsunfähigkeit ist grundsätzlich dann gegeben, wenn der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, mindestens 90 Prozent seiner fälligen Verbindlichkeiten innerhalb der kommenden drei Wochen zu erfüllen. Überschuldung liegt regelmäßig vor, wenn das Vermögen des Schuldners seine Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Schuldners in den nächsten 12 Monaten ist überwiegend wahrscheinlich („positive Fortbestehensprognose“). Eine positive Fortbestehensprognose bedeutet, dass der Schuldner voraussichtlich in der Lage ist, innerhalb der nächsten 12 Monate seine jeweils fällig werdenden Verbindlichkeiten zu erfüllen. Bei einer negativen Fortbestehensprognose ist ein Überschuldungsstatus zu Zerschlagungswerten zu erstellen. Erfahrungsgemäß bedeutet das in mehr als 95% der Fälle, dass Überschuldung vorliegt.

Für den (nicht insolvenzantragspflichtigen) Schuldner besteht die Möglichkeit im Rahmen des StaRUG-Verfahrens auf Basis eines gerichtlichen Antrags eine sog. Sanierungsmoderation durchzuführen. Ziel der – nicht öffentlich bekannt zu machenden – Sanierungsmoderation ist der Abschluss eines Vergleichs, beispielsweise mit den Aktionären, den Kreditgebern oder sonstigen Gläubigern.

Sollte seitens des Schuldners keine Sanierungsmoderation gewünscht sein bzw. scheitern, besteht die Möglichkeit weitere Instrumente des StaRUG zu nutzen. Hierzu ist es aber notwendig, ein umfassendes Restrukturierungskonzept zu entwerfen und einen Restrukturierungsplan zu erarbeiten und diesen mit den sog. Planbetroffenen zu verhandeln. Dabei wird der Geschäftsleitung seitens des Gerichts üblicherweise ein Restrukturierungsbeauftragter zur Seite gestellt.

Damit die drohende Zahlungsunfähigkeit mit Erfolg beseitigt werden kann, müssen die vom Plan betroffenen Akteure (Aktionäre, Gesellschafter des betroffenen Unternehmens etc., Banken, sonstige Gläubiger) von der Restrukturierung überzeugt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ermöglicht das Gesetz dem Schuldner verschiedene Instrumentarien, welche flexibel eingesetzt werden dürfen. Beispielsweise können sich die Restrukturierungsmaßnahmen nur auf die Aktionäre als Finanzgläubiger und/ oder Kreditgeber fokussieren und nicht auf die Kunden/ Lieferanten des Schuldners, sodass der operative Geschäftsbetrieb von der Restrukturierung nicht beeinträchtigt wird.

Der Planentwurf ist seitens des Emittenten mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht einzureichen. Nach Erörterung und Abstimmung prüft das Gericht den Restrukturierungsplan und erlässt einen bestätigenden Beschluss.

II. Auswirkungen eines StaRUG-Verfahrens für Anleger

Aufgrund der vom Gesetzgeber gewollten Flexibilität bei den Restrukturierungsmaßnahmen ermöglicht das StaRUG-Verfahren einen Eingriff in die Rechte von Aktionären und Anleihegläubigern. In den Fokus geraten dabei regelmäßig private Kleinanleger, welche mit den im Plan aufgeführten Restrukturierungsmaßnahmen nicht einverstanden sind. Selbst wenn die für ein Einverständnis notwendigen 75 Prozent einer Gläubigergruppe nicht erreicht werden, kann unter bestimmten Voraussetzungen eine fehlende Zustimmung durch das Gericht ersetzt werden.

Sollten die Aktionäre mit dem vom Gericht bestätigtem Restrukturierungsplan nicht einverstanden sein, können sie den Beschluss rechtlich angreifen. Die Hürden für eine erfolgreiche Beschwerde sind jedoch hoch: Zunächst müsste der jeweilige Aktionär bereits im Abstimmungsverfahren dem Plan widersprochen haben und es müsste eine „wesentlichen Schlechterstellung“ bestehen. Eine Torpedierung des Restrukturierungsplans durch einzelne Gläubiger soll dabei verhindert werden. So ist eine relative Verschlechterung von mehr als zehn Prozent und eine Mindestbeschwer in Höhe von mindestens EUR 600,00 erforderlich. Selbst wenn diese Voraussetzungen gegeben sein sollten, wäre eine Glaubhaftmachung einer wesentlichen Schlechterstellung erheblich erschwert, falls im Restrukturierungsplan Ausgleichszahlungen für die betroffene Gläubigergruppe vorgesehen sein sollten.

III. Fazit

Für den Schuldner bietet die Durchführung eines StaRUG-Verfahrens zahlreiche Chancen ohne Reputationsschäden und ohne den „Makel der Insolvenz“. Jedoch ist nicht zu erwarten, dass (kleinere) Mittelständer bei drohender Zahlungsunfähigkeit ausschließlich das StaRUG-Verfahren zur Sanierung nutzen werden. Das Verfahren ist komplex und teuer. Es eignet sich nur zur Restrukturierung von Verbindlichkeiten des Schuldners. Die Instrumente des StaRUG erlauben es nicht, dass Mitarbeiter entlassen oder bestimmte Verträge beendet werden. Von daher dürften die Erfolgsaussichten einer nachhaltigen Sanierung mit der Durchführung eines Insolvenzverfahrens höher liegen.

Insbesondere für private Kleinanleger ist bei Durchführung eines StaRUG-Verfahrens Wachsamkeit geboten. Zielen die Restrukturierungsmaßnahmen auf ihre Gruppe ab, könnte abhängig vom Sanierungsplan sogar ein Totalverlust ihrer Anteile drohen.

Reinhard Willemsen und Johannes Müller, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Foto: pixabay.com

Hinweis: Dieses Interview erschien zunächst in der neuen Ausgabe des Anleihen Finder Newsletters (14-2024). Registrieren Sie sich hier für unseren kostenlosen Newsletter und seien Sie vorab informiert.

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