Die Fake-Sommerpause – Kolumne von Britta Hosters, SCHNIGGE Wertpapierhandelsbank AG
Schon im Februar wird zum ersten Mal hinter vorgehaltener Hand vom „Schreckgespenst Sommerpause“ gesprochen; die Mienen werden traurig, hach ja, man beobachtet kollektives, resigniertes Kopfschütteln. Investmentgremien, die mangels Masse nicht zusammentreten, Entscheider, die mit den (schulpflichtigen) Kindern in der Sonne liegen – fernab elektronischer Kommunikationsmittel, leergefegte Konferenzsäle mit vertrockneten Keksen.
Die deutsche Anleihen-Siesta geht von Mitte Juli bis Ende August – hier stößt man auf verschlossene Türen, Anrufbeantworter und Abwesenheitsagenten. Neue Anleihen gibt es nicht, auch keine Aufstockung. Sehen Sie auch den Strohballen, der durch das verlassene Investmentdorf geweht wird?
Wissen Sie was? Bei allem Gezeter über diese geschäftsberuhigte Zone und trotz des leichten Mangelgefühls (bei manchen gar ein echter „Entzug“) – bitter nötig hat es die Branche!! Was war das bitte für eine Hektik, ein verkniffenes Ellenbogen-Raus-Spielchen vor der Sommerpause! Anleihen in rauen Mengen, Aufstockungen – zugehörige Einladungen, Updates, Reminder usw. Höher, schneller, weiter, mehr. Die Telefondrähte glühten, ebenso die Schuhsohlen der Vertriebler, und mindestens dreimal am Tag erinnerte das Mailsystem freundlich an die Maximalkapazität des Postkorbs. Im Schweiße ihres Angesichts versuchten die Entscheider, der Masse Herr zu werden – zwischen Roadshows am Vormittag und Webinaren am Nachmittag, dazwischen noch ein höflicher Anruf, ob man schon die Gelegenheit hatte, die Unterlagen zu sichten…
Welche Farbe hatte das Holz des Schreibtischs nochmal?
Ehrlich, ich kann’s verstehen, dass so mancher Entscheider die Ohren auf Durchzug stellte und wenig Lust (und Kapazität!) hatte, die vielfachen Investmentmöglichkeiten zu bewerten. Es nahm und nahm ja auch kein Ende. Wenig motivierend, wenn der Stapel Papier unaufhaltsam immer weiter wächst (trotz der emsigen Bemühungen). Welche Farbe hatte das Holz des Schreibtischs nochmal?
Über die schwarzen Schafe, die sich in die Reihe der Anbieter stellten und wie sie die Hektik und die damit verbundene Unsicherheit geschickt zu ihrem Zwecke zu nutzen wussten, schrieb ich ja bereits. Ausverkauf, Lagerräumung, Sonderrabatte – was ich davon halte, auch das wissen Sie bereits. Zu der allgemeinen Höchstleistungs-Marathonstimmung gesellte sich entsprechend das ungute Gefühl, auf eine Klippe zuzusprinten – und die Abstürze gewisser Neuemissionen machten es nicht gerade besser.
Wie ein Seil, quer über den Weg gespannt, stoppte die Sommerpause die wilde Raserei. „Wir haben’s ja gleich gewusst!“, fühlten sich die Februar-Pessimisten bestätigt. Aber Hand auf’s Herz! Insgeheim haben wir uns alle auf ein wenig mehr Zeit für die Dinge gefreut, die in der Hektik liegen geblieben sind. Sie etwa nicht?
Zwei ganz wichtige Aufgaben für Emissionsbegleiter in der Sommerpause
Tote Hose (wie man hier in Düsseldorf besonders gern sagt) – zumindest ist das die Theorie für Juli/August. Ganz richtig ist das jedoch nicht, denn die Sommerpause ist in diesem Jahr ein Fake! Als Emissionsbegleiter zum Beispiel hat man auch in der Sommerpause zwei ganz wichtige Aufgaben:
Nr. 1:
Neue Emittenten sind sanft, aber bestimmt darauf vorzubereiten, dass auch die Zeit direkt nach den Ferien verspricht, heiß umkämpft zu werden. Erste Unkenrufe versprechen schon jetzt eine pickepackevolle Pipeline an Neuemissionen und Aufstockungen DIREKT nach den Ferien. Daher gilt:
Nr. 2:
Nichts mit heißen Nadeln stricken, gründlich recherchieren, ordentlich aufbereiten – auch, wenn das vielleicht länger dauert als gewünscht. Entsprechend ist die Sommerpause eine höchst willkommene Zeit – an durchschnaufen ist nicht zu denken, aber an Ordnung, Struktur und Neusortierung!
Überhaupt sollte man sich fragen, warum sich diese Sommerpause wie vorliegend etabliert hat. Klar, jeder Mensch braucht Urlaub, und jeder sollte auch mal ein paar Wochen abwesend sein können. Der gesamte Kapitalmarkt hingegen pausiert aber doch nicht! Schließlich werden weiter Kurse gestellt, Zahlen veröffentlicht etc. Vielleicht ist dies eine der Stellschrauben, an denen wir drehen sollten? Vielleicht kann eine weniger pessimistische Einstellung zu der Sommerpause eine Entzerrung bedeuten, nämlich in der Form, dass niemand mehr „schnell-schnell“ noch vor oder eben nach der Pause an den Markt drängeln muss. Kontinuität, Verteilung der Masse auf einen längeren Zeitraum, mehr Zeit pro Investment Case.
Die Branche ist aktuell in einer sehr schwierigen Phase, steht etwas wacklig auf den Füßen – da sind wir alle einig. Wir alle sollten aber nun diese „Zwangspause“ nutzen, um uns darüber klar zu werden, was unser persönlicher Beitrag sein kann und sollte, um zu verhindern, dass dieses attraktive Segment dauerhaft Schaden nimmt.
Ich hoffe inständig, dass wir alle aus den Wochen vor der Sommerpause unsere Lektion gelernt haben. Nach einer Platzierung wird der Emittent nämlich nicht gefragt, welches Datum der Platzierungzeitraum trug – sondern, ob er erfolgreich war!
In diesem Sinne: Genießen wir den Sommer und kommen gut erholt (und schlauer) zurück!
Britta Hosters
Kurzvita von Britta Hosters
Britta Hosters begleitet als Expertin auf dem Gebiet Business Development, Strategie und Vertrieb den gesamten Prozess eines Mandates bei der SCHNIGGE Wertpapierhandelsbank AG mit dem Schwerpunkt Platzierung und Produktmanagement.
Als ausgebildete Bankkauffrau und internationale Diplom-Betriebswirtin ist sie seit über acht Jahren im Investmentbanking, u.a. für HSBC Trinkaus und Deutsche Bank AG, sowie im Verkaufstrainingsbereich tätig.
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