Was ein Sanierungskonzept für die Anleihe-Kündigung bedeutet!
Kolumne von Hartmut Göddecke. BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 – Trotz Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des ausgebenden Unternehmens, kann der Anleihegläubiger sich nicht auf ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 314 BGB berufen. Ein dafür notwendiger „wichtiger Grund“ liegt zumindest dann nicht vor, wenn der Emittent bereits Restrukturierungsbemühungen eingeleitet hat.
In den Jahren 2005 und 2006 gab die Deikon GmbH insgesamt drei Anleihen aus. An den beiden letzten beteiligten sich zwei Anleger mit 680.000 Euro bzw. 70.000 Euro. Infolge der Krise, in die die Gesellschaft in der Mitte des Jahres 2010 geriet, wurden für die einzelnen Anleihen Gläubigerversammlungen einberufen. Noch bevor diese jedoch stattfanden, kündigten die Kläger Ihre Teilschuldverschreibungen und forderten ihre Einlage zurück. Ihrer Ansicht nach stehe ihnen aufgrund der verschlechterten wirtschaftlichen Situation der Deikon GmbH ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 314 BGB zu.
BGH verneint Kündigungsrecht aus wichtigem Grund
Nachdem das Landgericht und das Oberlandesgericht im Wesentlichen zu Gunsten der Anleger urteilten, stellte der Bundesgerichtshof (BGH) nun klar, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung der Anleihe gemäß § 314 BGB nicht vorhanden sei. Das Festhalten an der Anleihe könne den Gläubigern nur dann nicht mehr zugemutet werden, wenn Gründe vorlägen, die im Risikobereich des Kündigungsgegners – also der Deikon GmbH – lägen. Die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens ist jedenfalls nach Auffassung des BGH aber gerade kein solcher Grund. Bei unbesicherten Anleihen, wie den Vorliegenden, übernehme der Anleger eben auch das Bonitätsrisiko des Unternehmens; dafür erhält er ja eine regelmäßige Zinsgutschrift.
Primat der Gläubigerversammlung
Die einzige Möglichkeit, die die Richter sehen, damit sich Anleihegläubiger den Risiken eines finanziell strauchelnden Unternehmens entziehen können, ist der Verkauf der eigenen Anteile. Ausschlaggebend für die Entscheidung des BGH war jedoch vor allem die Tatsache, dass das kriselnde Unternehmen bereits Maßnahmen zur Sanierung vorgelegt und eingeleitet hatte. Insbesondere seien die vorgeschlagenen und später auch durchgeführten Maßnahmen ausdrücklich im einschlägigen Schuldverschreibungsgesetz erwähnt.
Dieses diene – genau wie das Nachfolgegesetz aus dem Jahr 2009 – dem Ziel der Gleichbehandlung aller Gläubiger. Damit soll ein geordnetes, faires und transparentes Verfahren erreicht werden. Deshalb könnten die Interessen von einzelnen Anlegern nicht über das Interesse aller Beteiligten an der Sanierung des Unternehmens gestellt werden. Bis die Sanierungsbemühungen endgültig gescheitert seien, müssten Individualinteressen daher zurücktreten. Aus diesen Gründen scheide ein Kündigungsrecht nach § 314 BGB aus.
Praxistipp der Kanzlei GÖDDECKE RECHTSANWÄLTE
Das hier besprochene Urteil macht deutlich, dass der Bundesgerichtshof an seiner sanierungsfreundlichen Rechtsprechung zu Gunsten von angeschlagenen Unternehmen festhält. Erfreulicherweise herrscht nun auch Klarheit darüber, wann ein Recht zur außerordentlichen Kündigung der Anleihe vorliegt – und wann nicht.
Kam es bislang häufig zu Anleihekündigungen, um entsprechenden Druck auf das emittierende Unternehmen auszuüben und / oder das Kapital des Investors möglichst zu retten, dürfte diese Vorgehensweise ab Einberufung der Gläubigerversammlung der Vergangenheit angehören.
Hat der Anleiheschuldner bereits Sanierungsmaßnahmen angekündigt oder gar eingeleitet, muss diese Chance auch genutzt und von allen Beteiligten mitgetragen werden. Anleihegläubiger nach dem SchVG müssen sich darüber im Klaren sein, dass die einzige individuelle Möglichkeit, sich dem wirtschaftlichen Risiko zu entziehen, im Verkauf der eigenen Anteile liegt. Andererseits ist es im Interesse aller Anleger sowie des Unternehmens selbst, in Zeiten der Krise an einem Strang zu ziehen, um die Sanierung erfolgreich zu beenden.
Hartmut Göddecke, Rechtsanwalt
Kanzlei GÖDDECKE RECHTSANWÄLTE
Foto: smlp.co.uk/ flickr.com
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